Wir lieben unsere Haustiere
Wir lieben Katzen und Hunde – ieben sie uns auch oder bleiben sie nur wegen des Futters bei uns?
Knapp 15 Millionen Katzen und neun Millionen Hunde leben in deutschen Haushalten. Insgesamt 34 Millionen Haustiere und damit so viele wie in keinem anderen europäischen Land. Deutschland liebt seine Haustiere. Viele Besitzer und Besitzerinnen von Haustieren fragen uns, Dr. Andrianaly, in unserer Tierarzt Praxis in Stuttgart am Worsmer Platz, wie man sieht, ob ein Haustier uns auch liebt.
Und wenn Ja, auf welche Weise?
Um die möglichen Gefühle und Empfindungen unserer Haustiere richtig zu verstehen, sollten wir zunächst einmal klären, von welcher Form der Liebe wir überhaupt sprechen. Immerhin gibt es nicht nur eine Liebe, sie kann unterschiedlich geartet sein. Wir können in jemanden verliebt sein, mit dem wir uns eine Partnerschaft wünschen, wir können uns selbst lieben, können Liebe für Freunde und Bekannte oder für unsere Familienmitglieder empfinden. In allen Fällen ist Liebe nicht gleich Liebe, sondern etwas Unterschiedliches. Die alten Griechen haben diese Unterschiede sehr genau benannt. So wird etwa die erotische Liebe als Eros bezeichnet, die Liebe zwischen Familienmitgliedern Storge und die Liebe, die sich in Freundschaften entwickeln kann, Philia.
Doch in welche Kategorie fallen die Gefühle, die unsere Haustiere – möglicherweise – für uns hegen?
Beginnen wir mit dem Haustier, das augenscheinlich am deutlichsten seine Liebe zu uns bekundet: dem Hund. Stärker als jedes andere Tier zeigt er uns seine Zuneigung. Zahlreiche Studien haben sich mit seinem Verhalten auseinandergesetzt und Wissenschaftler schnell zu der Erkenntnis gebracht, dass Hunde aktiv die Nähe zu uns Menschen suchen. Innerhalb weniger Monate nach der Geburt richtet sich die Anziehungskraft von Welpen eindeutig eher auf Herrchen und Frauchen als auf andere Hunde. Das zeigt sich auch in biochemischen Prozessen, die bei Hunden in Kontakt mit Menschen auftreten. So sinken beispielsweise ihre Blutdruckwerte, wenn wir sie streicheln, und gleichermaßen verspüren die Tiere einen deutlichen Trennungsschmerz und Angst, wenn wir sie vorübergehend verlassen. Für uns Menschen, oder besser gesagt für jeden Hundehalter, sind diese Gefühle in etwa gleich geartet. Unser Stress und Blutdruck sinkt, wenn wir mit Hunden kuscheln, und es steigt, wenn wir sie winselnd zu Hause zurücklassen.
Diese wechselseitige Beziehung wurde bereits von Studien untermauert, die die chemischen Prozesse im Gehirn untersucht haben. Bei Hunden und Menschen werden, wie bei allen Säugetieren, die Verhaltensweisen, die bindend wirken, durch einen Cocktail von Hormonen aufrechterhalten. Wesentlich daran beteiligt ist das Hormon Oxytocin, allgemeinsprachlich als „Molekül der Liebe“ oder auch „Bindungshormon“ bezeichnet. Bei allen Säugetieren wird dieses Hormon produziert, wenn sie beispielsweise sexuell erregt sind. Es steigt aber auch, wenn wir einen Menschen sehen, den wir lieben, insbesondere enge Familienmitglieder.
Interessanterweise reagieren Hunde nicht nur bei der Interaktion mit anderen Hunden, sondern auch bei der Interaktion mit Menschen mit einem Oxytocinschub. Unter Säugetieren ein äußerst seltenes Phänomen.
Ähnlich tritt dies auch bei Katzen auf. Eine Studie der Claremont Graduate University legt nahe, dass sich auch bei Katzen das Oxytocin-Level erhöht, wenn sie von ihren Besitzern gestreichelt werden.
Allerdings: Im Vergleich zum Hund ist der Oxytocin-Schub nur ein Fünftel so groß. Katzen „lieben“ dich also fünfmal weniger als es Hunde tun, schreibt Studien-Autor Dr. Paul Zak.
Dennoch legen die Ergebnisse nahe, dass wir mit Hund und Katze eine Art familiäre Liebe teilen. Von erotisch gearteter Liebe kann jedoch nicht gesprochen werden. Auch wenn Hunde in süßer Regelmäßigkeit dazu neigen, unsere Beine zu besteigen – mit sexueller Zuneigung hat das jedoch nichts zu tun. Es ist vielmehr ein Zeichen für ungelöste Spannungen in der Mensch-Hund-Beziehung. Einige Experten interpretieren es als Dominanzverhalten, andere gehen davon aus, dass Hunde dadurch sprichwörtlich Dampf ablassen. Das Verhalten zeigt sich bei männlichen und weiblichen Hunden und gelegentlich auch bei Katzen.
Fassen wir zusammen: Dein Hund oder deine Katze lieben dich! Allerdings sehen sie dich nicht als ihren potenziellen Liebespartner, sondern empfinden Gefühle, die ähnlich wie Empfindungen sind, die wir gegenüber unseren Eltern oder Geschwistern haben. Um es mit den alten Griechen zu sagen: Storge.
Etwas anders sieht das bei unseren gefiederten Freunden aus. Vögel empfinden viel eher ein Gefühl für ihre Besitzer, das man mit Eros gleichsetzen könnte. Streichelt man einen Papagei beispielsweise an bestimmten, man könnte sagen „falschen“ Stellen, deutet er die Signale häufig als Vorspiel und beginnt, Sexualhormone zu produzieren. Will man derlei Gefühle bei seinem Vogel nicht auslösen, sollte man ihn laut Experten nicht über den Rücken, auf oder unter den Flügeln zu streicheln. An alle Vogelbesitzer: Lasst in Anbetracht dieser Tatsache etwas Vorsicht walten. Zum Schluss gibt es noch eine Form der Liebe, die die meisten Tiere mit uns teilen. Es geht um das Gefühl, dass Katzen und Hunde gleichermaßen haben, wenn sie das klirrende Geräusch des Futternapfes hören, der auf den Boden gestellt wird; das Gefühl, das ein Fisch hat, wenn kleine Bröckchen Fischfutter an der Ecke des Aquariums auf die Wasseroberfläche fallen. Ganz egal, ob das Haustier ein Meerschweinchen, eine Schildkröte oder eine Schlange ist – alle eint die Liebe zum gefüllten Futternapf. Die Tiere sehen das Verhältnis zu uns als eine Art verlässliche Freundschaft, die den Schwerpunkt der Nahrungssicherung hat. Und auch, wenn uns das ein bisschen egoistisch vorkommen mag, so ist es doch ein Zeichen von Loyalität und Zuverlässigkeit im Sinne der Philia, der Liebe zwischen Freunden. Und Freundschaft, so heißt es zumindest oft, ist die reinste und höchste Form der Liebe.