Freundschaften schließen
Wie Tiere Freundschaften schließen
Tiere haben Kumpels, auch das erleben wir immer wieder in unserer Tierarzt Praxis am Wormser Platz in Stuttgart: Tiere kommunizieren, erkennen einander wieder und helfen sich bei der Körperpflege. Doch nicht alle Tiere sind in der Lage, innige Bindungen einzugehen. Wer wem zugeneigt ist, beruht auf ähnlichen Gründen wie beim Menschen. Und auch Geschlechtsunterschiede gibt es.
Kuschelnde Katzen, spielende Hunde, sprechende Delfine –
Soziale Interaktionen in der Tierwelt sehen oft gar nicht so anders aus als bei den Menschen. Aber handelt es sich dabei um echte Verbundenheit? Ja, meint Verhaltensbiologe und Buchautor Karsten Brensing: Grundsätzlich haben Tiere genauso Freundschaften wie wir. Darüber seien sich Experten nicht immer einig gewesen. Das hat man früher verneint, man wollte die Tiere nicht vermenschlichen, aber seit gut zehn Jahren spricht die Wissenschaft auch in der Tierwelt von Freundschaften.
So zum Beispiel bei Delfinen.
Sie können sich noch nach über 20 Jahren an ehemalige Gefährten erinnern, wie ein US-Forscher herausgefunden hatte. Einen Gefährten erkennen sie an einem individuellen Namenspfiff, selbst wenn sie diesen viele Jahre nicht gehört haben, berichtete der US-Forscher Jason Bruck schon 2013 in den „Proceedings B“ der britischen Royal Society. Signaturpfiffe sind so etwas wie die Namen von Delfinen. Jedes Tier lernt in jungen Jahren seinen eigenen Pfiff, mit dem es sich dann Artgenossen vorstellt.
Evolutionsbiologisch wird sozialen Bindungen teils eine große Rolle zugeschrieben. Viele Forscher gehen davon aus, dass die Freundschaft am Anfang der Intelligenz steht. In der sogenannten Social Brain Hypothesis (Hypothese des sozialen Gehirns) ist die Annahme formuliert, dass bestimmte Tiere große Gehirne, die auch zu komplexen kognitiven Leistungen fähig sind, nur entwickelt haben, um ihr komplizierter werdendes Sozialleben zu managen.
Früher habe man angenommen, dass solche Verhältnisse immer einen bestimmten Zweck verfolgen – nach dem Prinzip: Ich gebe dir was, du gibst mir was. So sei zum Beispiel bei Schimpansen das Entlausen untersucht worden: Da war ganz klar, je nach Hierarchien hat der eine mehr entlaust als der andere. Die haben ganz genau gerechnet.
Doch nicht alle sind in der Lage, innige Beziehungen zu schließen, sagt Brensing. Sie müssen bestimmte geistige Fähigkeiten haben, beispielsweise ein lebenslanges Gedächtnis und sie müssen Individuen erkennen können. Innerhalb eines Fischschwarms oder einer Herde aus Hunderten von Rindern, in denen sich die einzelnen Exemplare fremd sind, gebe es daher keine Freundschaften. Aber sobald man sich kleinere Gruppen anschaut, wo sich die Tiere gegenseitig kennen, da ist das gang und gäbe.
Untersucht werden Freundschaften meist über Netzwerkanalysen, bei denen einzelne Tiere identifiziert und beobachtet werden. Unter Pavianen und Elefanten etwa, bei denen die Männchen die Gruppe verlassen und die Weibchen ihr Leben lang in der Gruppe bleiben, in die sie geboren wurden, haben verschiedene Studien vor allem zwischen weiblichen Tieren Freundschaften entdeckt. Unter Delfinen, bei denen die Weibchen häufig abwandern und die Männchen zurückbleiben, seien hingegen Männerbindungen häufiger, berichteten zwei US-Verhaltensbiologen in einer zusammenfassenden Studie.
Hunde freunden sich mit ähnlichen Rassen an
Die Elefantendamen formen dabei mit ihren Müttern, Töchtern und Schwestern langfristige Bindungen. Doch nicht alle engen Bindungen unter Tieren gehen auf Verwandtschaft zurück. Auch Stuten bilden der US-Studie zufolge andauernde Beziehungen zu anderen Mitgliedern ihrer Herde, auch wenn sie nicht verwandt sind. Und viele männliche Schimpansen fixieren sich demnach am stärksten auf ein anderes, nicht verwandtes Männchen.
Wer wem zugeneigt ist, hat wie beim Menschen viel mit Charakter und Persönlichkeit zu tun. Auch Tiere würden sich oftmals Begleiter aussuchen, die ihnen ähnlich sind, sagt deutsche Zoologin und Moderatorin Kate Kitchenham. Von Hunden wisse man, dass sie sich vor allem mit ähnlichen Rassen anfreunden, weil diese zum Beispiel ähnliche Bewegungsvorlieben haben wie sie selbst. Ein Hütehund wie ein Border Collie hat immer das Bedürfnis alles zu umkreisen, zu regeln, einzugreifen. Wenn der dann mit einem Labrador spielt, geht er ständig dazwischen und versucht ihn irgendwohin zu treiben. Und dann kommt das Spiel nicht so richtig in Gang.
Doch auch frühkindliche Erfahrungen spielen eine große Rolle und können charakterliche Unterschiede ausgleichen. Wenn eine Dogge mit einem Dackel aufwächst, dann entwickeln die ein ganz individuelles, aufeinander abgestimmtes Spielverhalten und können eine super enge Bindung eingehen, wie zu keinem anderen Hund.
Auch artübergreifend könnten, besonders in den frühesten Lebensphasen, innige Verbindungen entstehen. Ob Mensch, Hund oder Kuh , wir alle sind in dieser Lebensphase offener, auch was mögliche Beziehungspartner angeht. Wenn in dieser Phase etwa ein Katzenjunges zu Hundewelpen komme, dann lerne die Katze die Hundesprache zu begreifen und mit ihnen zu kommunizieren. Dann würden auch Hund und Katze schnell Kumpels.
In der Natur habe man dieses Phänomen hingegen selten beobachten können. Es gibt sehr wenige Beispiele davon, dass verschiedene Tierarten in freier Wildbahn enge Freundschaften zueinander pflegen. Ein solches seltenes Beispiel ist die Verbundenheit zwischen Wölfen und Raben, die zum einen als Jagdgemeinschaft agieren, zum anderen aber auch abseits dieser Zweckbeziehung etwa miteinander spielen und Vertrauen zueinander aufbauen.
Ohne einen Menschen, der die Tiere zusammenführt und damit einen Rahmen schafft, würden solche Freundschaften nur selten beobachtet, sagt die Verhaltensforscherin. In menschlicher Obhut habe es aber schon ungewöhnliche Verbindungen gegeben, die weltweit Beachtung fanden, wie etwa die zwischen Tiger und Ziegenbock in einem russischen Tierpark oder Kamel und Elefant in einem dänischen Zirkus.