Popkultur und Katzen
Man liebt oder man hasst sie, aber man entkommt ihnen nicht: Katzen. Gerade sorgte Claudia Schiffer mit Kater Chip auf dem roten Teppich für Aufregung. Taylor Swift ließ sich für das „Time“-Cover mit einem ihrer Lieblinge fotografieren. Auch in der Mode sind sie gerade überall.
Eigentlich hätte Chip mehr verdient. Da spielt der Kater von Claudia Schiffer schon eine tragende Rolle im neuen Film „Argylle“, gedreht von Schiffers Ehemann Matthew Vaughn, und gibt sein haariges Gesicht für ein neues Kuscheltier her, das zur Vermarktung des Films lanciert wurde. Und dann, auf der Premiere, darf er nicht einmal den roten Teppich auf seinen eigenen Pfoten entlangschreiten.
Stattdessen saß Chip bei dem Event, das Ende Januar stattfand, in einem gelben Rucksack mit Argyle-Karomuster auf dem Rücken seiner Besitzerin und schaute griesgrämig aus einem Bullauge nach draußen. Schiffer selbst strahlte bei der Premiere die Fotografen an und hatte ihr Versace-Kleid auf das Muster des Rucksacks abgestimmt, an dem drei Löcher für die nötige Luftzufuhr für Chip sorgten.
Tierschützern und Social-Media-Usern reichte das natürlich nicht aus: Sie kritisierten, eine Katze sei kein Spielzeug und man habe sie hier einer Stresssituation ausgesetzt. Und überhaupt: Chip gehöre zur Rasse des Scottish Fold. Diese sei aufgrund der Art der Züchtung extrem krankheitsanfällig und in Deutschland bereits verboten und dürfe nicht noch zusätzlich vermarktet werden.
Die etwas künstliche Aufregung um Chip ist kein Zufall. Im Grunde muss seine gesamte Spezies damit leben, dass Mode und Popkultur sich derzeit wieder mal exzessiv ihrer niedlichen Stupsnasengesichter und geschmeidigen Katzenkörper bedienen, um Produkte oder Events zu vermarkten. Auf der Berliner Modewoche präsentierte der Designer Gerrit Jacob vergangene Woche Katzenprints mit pinkfarbenen Airbrush-Effekten, und gesellte sich damit zu einer ganzen Reihe Marken, von JW Anderson über Givenchy bis hin zu Acne Studios, die gerade Katzenmotive in ihre Entwürfe einarbeiten.
Das hat auch die Modemacherin Tory Burch schon getan, und passend zur Kollektion hat sie in Los Angeles einen temporären Concept-Store eröffnet, dessen Wände mit Katzenfotografien des deutschen Fotografen Walter Schels bedruckt sind.
Der Juwelier Boucheron wiederum hat gerade ein mit Diamanten umrandetes Goldmedaillon lanciert, auf dem das Profil eines Katers namens Wladimir zu sehen ist. Wladimir gehörte zum Hause Boucheron, er war eine „Muse“ vom Sohn des Gründers der Marke.
Gerade hat in London das Somerset House-Museum eine Ausstellung mit dem Titel „Cute“ eröffnet, auf Deutsch „niedlich“. Thema: Wie putziges Allerlei Kunst und Konsum der Gegenwart prägt. Partner der Ausstellung ist der japanische Konzern und Hello-Kitty-Erfinder Sanrio, der das 50. Jubiläum seiner weißen Starkatze mit dem Schleifchen im Ohr als Thema einbringt. Die Besessenheit mit Katzen, die sich auch in viralen Katzen-Memes und der Beliebtheit von haarigen Internet-Stars wie Grumpy Cat ausdrückt, steht im Zentrum der Ausstellung.
Hielten die einen im Jahr 2022 in Deutschland laut Erhebungen des Marktforschungsinstituts Skopos 15,2 Millionen Katzen, waren es bei den anderen nur 10,6 Millionen Hunde. „Hunde haben Besitzer, Katzen haben Personal“ lautet ein Spruch über die unterschiedlichen Machtverhältnisse in den jeweiligen Beziehungen zwischen Mensch und Haustier. Und so geben sich gerade prominente Katzenbesitzer größte Mühe, ihre Lieblinge öffentlich vorzuführen und kreativ in ihre Arbeit zu integrieren.
Die dreifache Katzenmama Taylor Swift ließ sich im vergangenen Jahr für das Cover des „Time“-Magazins, das sie zur „Person des Jahres“ gekürt hatte, mit ihrem Kater Benjamin Button fotografieren. Karl Lagerfelds Birma-Katze Choupette hat sich über den Tod ihres Besitzers hinaus ihren Status als VIC („Very important cat“) erhalten und wird von einer Entourage aus Agenten und Betreuern gehegt und gepflegt. Im vergangenen Jahr inspirierte sie bei der „Met Gala“, die anlässlich einer großen Lagerfeld-Ausstellung in New York stattfand, den Schauspieler Jared Leto dazu, im Katzenkostüm aufzutauchen.
Die legendäre Stylistin Grace Coddington hat ihre Katze Pumpkin zum Thema diverser Modekooperationen mit Marken wie Louis Vuitton und Balenciaga gemacht. Und Chip, der Kater von Claudia Schiffer, arbeitet nicht nur an einer Filmkarriere: In einem illustrierten Buch mit dem Titel „Blue Chip – Die Geständnisse von Claudia Schiffers Kater“ packt er über das Leben im Schatten eines Supermodels aus.
Aus Marketingsicht ist das natürlich clever: Stars können Einblicke in einen Teil ihres Privatlebens gewähren und sich mit ihrem Haustier als nahbar inszenieren, ohne irgendwas wirklich Substanzielles preiszugeben. Zur Mode passen Katzen ohnehin perfekt: Sie sehen niedlich aus, wirken erhaben und offenbaren einen unangepassten Charakter, mit dem sich Modemenschen gerne identifizieren.