Die Geschichte der Tiermedizin
Die Geschichte der Tiermedizin reicht weit zurück und ist eng mit der Geschichte der menschlichen Medizin verbunden. In vielen frühen menschlichen Gesellschaften spielten Tiere eine wichtige Rolle als Arbeitskräfte, Nahrungsmittel und Begleiter, weshalb die Behandlung von Tierkrankheiten von großer Bedeutung war.
Die Anfänge der Tiermedizin lassen sich bis zu den alten Kulturen Mesopotamiens, Ägyptens, Griechenlands und Chinas zurückverfolgen, wo bereits Methoden zur Behandlung von Krankheiten und Verletzungen bei Tieren entwickelt wurden. Im antiken Griechenland und Rom wurden Tierärzte, die damals oft als „Hippiater“ bezeichnet wurden, geschätzt und ihre Dienste in der Behandlung von Pferden und anderen Tieren waren gefragt.
Während des Mittelalters und der Renaissancezeit wurden in Europa Tierärzte zu wichtigen Mitgliedern der Gemeinschaft, insbesondere im Zusammenhang mit der Landwirtschaft und der Pflege von Nutztieren. Die Gründung von Tierarztschulen und -organisationen im 18. und 19. Jahrhundert trug zur Professionalisierung des Berufsstandes bei.
Mit dem Fortschreiten der Wissenschaft und Technologie im 20. Jahrhundert wurden Tierärzte immer besser ausgebildet und es wurden fortschrittlichere Behandlungsmethoden und Medikamente für Tiere entwickelt. Heute umfasst die Tiermedizin ein breites Spektrum an Fachgebieten, darunter Kleintiermedizin, Nutztiermedizin, Pferdemedizin, Exotenmedizin und Forschung. Die Tiermedizin hat sich zu einem wichtigen Bereich entwickelt, der dazu beiträgt, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Tieren zu schützen und zu verbessern.
Schon sehr früh begann der Mensch Tiere zu domestizieren, zum Beispiel Schweine, Ziegen und Schafe. Für die Gesundheit der Tiere hatte das letztlich negative Auswirkungen. In der menschlichen Obhut konnten zwar auch schwächere Tiere überleben, aber die fehlende natürliche Selektion führte zu einer höheren Anfälligkeit gegenüber Krankheiten.
So bildeten sich mehr genetische Anomalien, die wiederum zu Gesundheitsproblemen führten. Knochenfunde erzählen die Geschichte von Mangel- und Fehlernährung, Überlastung und Verletzungen.
Heilige Tiere – kranke Tiere
Im alten Ägypten waren viele Tiere heilig, darunter Katzen, Hunde, Rinder, Affen und Falken. Sie wurden mumifiziert und in eigenen Friedhofsanlagen beigesetzt. Heute geben diese Mumien den Wissenschaftlern wertvolle Hinweise auf den Gesundheitszustand und das Alter der Tiere.
An ihren Knochenresten lässt sich ablesen, dass viele sehr krank waren und früh starben. Sie litten an degenerativen und rachitischen Veränderungen der Wirbelsäule, der Gelenke, aber auch an Defekten der Zähne und des Kiefers. Vermutlich hing der schlechte Gesundheitszustand mit den Haltungsbedingungen zusammen.
Die Affen zum Beispiel lebten in Käfigen in dunklen Tempelanlagen. Das fehlende Sonnenlicht führte zu Vitamin-D-Mangel. Auch die Ernährung war schlecht und einseitig. Ihr heiliger Status wurde den auserwählten Tieren zum Verhängnis.
Um ihre Nutztiere kümmerten sich die alten Ägypter besser, zumindest kannten sie sich bereits mit der Behandlung einiger Krankheiten aus. Auch Geburtshilfe bei Rindern war bekannt. Aus der Zeit um 1850 vor Christus fanden Forscher ein Papyrus, in dem Gänse, Rinder, ja sogar Fische als Patienten erwähnt sind.
In der assyrisch-babylonischen Kultur kamen zwei neue Patienten dazu: Pferd und Esel. Mit Hippokrates (circa 460 bis 377 vor Christus) begann die rational-empirische Humanmedizin, die auch die Tiermedizin beeinflusste. Im achten Buch der Tierkunde von Aristoteles erwähnt der Philosoph bereits die Krankheiten Tollwut, Fußgicht, Milzbrand und Fieber. Auch die Kastration von Tieren ist anschaulich geschildert.
Asiatische Tiermedizin
In China und Indien entwickelten sich eigenständige Heilkonzepte: die alte chinesische Medizin und die ayurvedische Medizin. Schon im 11. bis 3. Jahrhundert vor Christus war die Tiermedizin in Chinaeine eigenständige Disziplin.
Wichtiger Begleiter des Menschen war das Pferd. Nicht nur die Chinesen, sondern auch die Araber kannten sich in der Behandlung kranker Pferde sehr gut aus.
Was das Pferd für die Araber, war für die Inder der Elefant. Er wurde nicht nur als Arbeitstiergebraucht, sondern auch als Glücksbringer und Verkörperung von Weisheit und Kühnheit verehrt – besonders der weiße Elefant, der als Reittier des Gottes Indra gilt. Kein Wunder, dass es bereits früh ein wichtiges Werk zur Elefantenheilkunde gab: Der „Hastyayurveda“ behandelt die großen, die kleinen, die chirurgischen und die gemischten Krankheiten der Elefanten.
Die frühen indischen Tierärzte waren auch sehr an den verschiedenen Charakteren und Typen der Elefanten interessiert, denn sie gingen davon aus, dass sich das innere Wesen im Verhalten jedes Individuums widerspiegelt. Der ganzheitliche Ansatz des Ayurveda und auch der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist heute auch im Westen sehr gefragt – für Tier und Mensch.
Vom Heiler zum Tierarzt
Vor der Gründung der Universitäten im Hochmittelalter war die Medizin und Heilkunst fest in den Händen der Klöster. Vor allem adelige Frauen wie Hildegard von Bingen befassten sich mit Pflanzen- und Heilkunde, denn Gelehrsamkeit galt als unmännlich. In Italien war es die berühmte Ärztin Trotula, die an der Medizinschule von Salerno lehrte. Dort begann man auch zahlreiche arabische Lehrbücher ins Lateinische zu übersetzen.
So gelangte auch das Wissen über die Pferdeheilkunde vom Orient in den Okzident. An den Höfen des europäischen Hochadels nahmen die Stallmeister die Rolle des Veterinärs ein. Ihre drastischen Methoden muss man aus heutiger Sicht größtenteils als Tierquälerei bezeichnen. Das gilt auch für das Schicksal anderer höfischer Tiere wie Falke und Hund.
Ungenügende Bildung und Rücksichtslosigkeit kennzeichneten den Umgang mit Tieren. Eine geregelte Ausbildung zum Tierarzt gab es erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, und zwar erstmals in Frankreich. Die Ecole vétérinaire, die im Jahr 1762 gegründet wurde, gilt als die Wiege der tiermedizinischen Ausbildung.
Eine der ältesten noch heute existierenden Ausbildungsstätten der Welt ist die Tierärztliche Hochschule Hannover. Sie wurde 1778 als „Ross-Arzneischule“ gegründet. Heute studieren dort etwa 2500 Studenten, überwiegend Frauen.