Der Hund hält inne
Zu den kleineren Rätseln des Hundes gehört die Pause, die er auf dem ersten Treppenabsatz der Treppe einlegt. Oft werden wir solche Dinge in unserer Tierarzt Praxis in Stuttgart am Wormser Platz gefragt. Geht es abwärts, kann es nicht schnell genug für ihn gehen. Er trottet unwillig die ersten Stufen hoch, schaut dann einmal hoffnungsvoll um die Ecke, ob vor der Nachbarstür seine Lieblingsfeindin abhängt, eine eher entspannte Katze, die ihn wiederum in höchste Aufregung versetzt.
Erspäht er sie dort nicht, dreht er seinen Kopf zum Fenster und blickt in den grünen Hinterhof. Er schaut auf die winterlich-kargen Pflanzen, die Holzunterstände für Müllcontainer und Fahrräder und auf die zusammengeklappte Tischtennisplatte. Das Fenster ist nur einfach verglast, aber selbst mit seiner Hundenase kann er, glaube ich, nichts erschnuppern, sondern muss sich auf seine Augen verlassen. Und auf seine Fantasie. Was bewegt ihn also in diesem Moment des Innehaltens und der Reflexion?
Prinzipiell sind alle Hunde kurzsichtig. Sie sehen Dinge, die sich bewegen, viel besser. In einer Entfernung von mehr als sechs Metern kann der Hund stillstehende Objekte nicht mehr erkennen, heißt es im Online-Magazin „eDogs“. Streng genommen, sieht er aus dieser Perspektive also wenig bis gar nichts. Was aber geht in seinem Kopf vor? Erinnert er sich an die Maus, die er regelmäßig unter den Altpapiercontainer jagt? An die knappen Spaßtrips, die er mit seinem Kumpel Taco in diesen Hof unternahm?
Zwölf Sekunden des Innehaltens
Denkt er an die bevorstehenden Stunden in der Wohnung mit dem rutschigen Holzfußboden und fragt sich nach dem grundsätzlichen Sinn eines Zusammenlebens mit Lebewesen, die ihr Leben praktisch regungslos am Schreibtisch und auf dem Sofa verbringen? Was auch immer in ihm vorgeht, es dauert nicht lang.
Ich habe noch nie mitgestoppt, aber ich könnte schwören, dass sein Moment des Innehaltens jedes Mal genau zwölf Sekunden dauert. Dann läuft er weiter die Treppe hinauf. Nicht voller Vorfreude auf einen halben Tag zwischen Hundebett und Teppich, aber auch ohne erkennbaren Widerwillen. Ich glaube, die kurze Denkpause tut uns beiden gut.